Erfassung, Beurteilung und Bewertung von unerwünschten Arzneimittelwirkungen in der Onkologie
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https://dx.doi.org/10.5167/uzh-47375Abstract
Ein umfassendes Sicherheitsprofil von Arzneimitteln ist zum Zeitpunkt ihrer Zulassung aufgrund der limitierten untersuchten Patientenzahl und des begrenzten Untersuchungszeitraumes noch nicht verfügbar. Nach der Zulassung können durch das Spontanmeldesystem bislang unbekannte unerwünschte Arzneimittelreaktionen (Adverse Drug Event: ADE) erfasst werden, eine Aussage zur tatsächlichen Inzidenz von ADE ist damit aber nicht möglich. Weitere Erkenntnisse zur Inzidenz von ADE und in der klinischen Praxis assoziierten relevanten Risikofaktoren müssen daher durch epidemiologische Studien generiert werden. Epidemiologische Studien zur Arzneimittelsicherheit in der Schweiz wurden z.B. durch die SAS/CHDM1 durchgeführt. Die Häufigkeit für klinische relevante ADEs in der Inneren Medizin wurde dort auf 11% geschätzt. Bei Patienten unter Chemotherapie lag das Risiko von ADE mit 30.7% (95%CI: 25%, 36%) aufgrund der zytotoxischen Eigenschaften und der engen therapeutischen Breite dieser Medikamente erwartungsgemäss allerdings wesentlich höher. Schätzungen bezüglich der Häufigkeit von ADE hängen dabei stark von der Art der Methode der jeweiligen Studien ab, und detaillierter Untersuchungen in der Onkologie sind dazu bislang kaum vorhanden. In dieser Studie wurden ADE mittels prospektiver Überwachung erfasst und anhand standardisierter Algorithmen hinsichtlich Kausalität und Schweregrad beurteilt. Information zu medizinischen Ereignissen und verwendeter Medikation aus der Patientenakte, Pflegeakte, Labor, Patientenfragebogen und Begleitung der Chefarztvisiten wurden verwendet und nach ihrer Bedeutung zur Datenerfassung von ADE beurteilt. Der Patientenfragebogen lieferte Zusatzinformationen zu Selbstmedikation mit Phytotherapie, Fruchtsaftgenuss und allgemeine Lebensqualität unter der aktuellen Therapie. Innerhalb eines 5-monatigen Beobachtungszeitraumes wurden ADE von 129 Patienten mit 252 Hospitalisationen auf 2 Stationen der Klinik für Onkologie der Universität Zürich. 57 Patienten wurden mehrfach hospitalisiert. 3341 medizinische Ereignisse (Adverse Events: AE) wurden registriert. 2220 AE galten als krankheitsbedingt, 1121 konnten als ADE identifiziert werden. 39 Hospitalisationen verliefen ohne ADE und 122 Patienten erlebten mindesten 1 ADE. Die Kategorisierung ergab vorwiegend bekannte ADE, die bei einer Chemotherapie auftreten, obwohl bei 39 Hospitalisationen keine Chemotherapie verabreicht wurde. 25 Hospitalisationen waren durch ADE verursacht. Aufgrund der Polymedikation durch Chemotherapie-Schemata ergaben sich 62% aller ADE mit dem Wahrscheinlichkeitsgrad „möglich“. Nur 32% der ADE konnten als „wahrscheinlich“ oder „sicher“ bewertet werden. Insgesamt verursachten 112 von insgesamt 214 Substanzen ADE. Keine der Erfassungsmethoden erfassten alle 1121 ADE. Die Patientenakte registrierte 550, die Pflegeakte 569, das Labor 387, das Monitoring der Visite 141 und der Fragebogen 63 ADE. Jede Erfassungsmethode wird durch unterschiedliche Faktoren, wie Patientenmerkmale, Hospitalisationsdauer, Ursache der Hospitalisation, Schweregrad, Kategorie und Kausalität der ADE, Medikamentenanzahl und Vormedikation beeinflusst. Diese Faktoren bezeichnen wir als Kontext des Patienten. Unter den Untersuchungsbedingungen und Einflüssen auf die Erfassung wiesen nur die Pflegeakte und das Labor eine Signifikanz für die Erfassung von wahrscheinlichen bis sicheren ADE auf. Die Untersuchung wies wie erwartet eine hohe Häufigkeit der ADE unter Chemotherapie auf. Die Güte der Erfassungsmethoden bei der Untersuchung variierte stark abhängig vom Kontext des Patienten. Dies beeinflusst die Ermittlung der Inzidenz von ADE, weshalb die Daten verschiedener Studien, welche den Kontext des Patienten nicht berücksichtigen, nur eingeschränkt miteinander verglichen werden können. Damit ergeben sich zwei Kernaussagen dieser Studie. Die Erfassungsmethoden für ADE in weiteren Studien sollten den Kontext der Patienten berücksichtigen und publizieren. Für den Kontext des Patienten sollten Überwachungsprofile erstellt und in einem weiteren Schritt validiert werden. Dadurch ist eine deutlich effizientere Erfassung von ADE möglich, weil die Methoden ohne Mehrwert für einen konkreten Kontext nicht berücksichtigt werden müssen. Die Rückführung gewonnener Erkenntnis muss zeitnah erfolgen, aber nur selektiv unter Berücksichtigung des Profils eines Patienten angezeigt werden.Date
2010Type
DissertationIdentifier
oai:www.zora.uzh.ch:47375http://dx.doi.org/10.5167/uzh-47375