Naturnähe und Naturverständnis in den Grundlagen des sunnitischen Islams
Author(s)
Kowanda-Yassin, UrsulaKeywords
11.80 Islam: Allgemeines43.31 Naturschutz
08.37 Religionsphilosophie
Islam / Natur / Umwelt / Umweltschutz / Ökologie / Naturverständnis / Religion / Anthropozentrismus
Islam / nature / environment / ecology / anthropocentrism / religion
Full record
Show full item recordOnline Access
http://othes.univie.ac.at/9356/Abstract
Die Natur wird heute durch den Diskurs um Umweltschutz wieder neu entdeckt. Ihre bedrohliche Existenz rückt durch Klimakatastrophen verstärkt in das menschliche Bewusstsein und die eigene Abhängigkeit von der Natur wird durch Klimawandel vermehrt erkennbar. Der Mensch setzt sich nun bewusst mit der Natur auseinander, nachdem er sich von ihr entfremdet hat. Religionen spielen eine besondere Rolle bei diesem Diskurs um Natur und ihren Schutz. Die Buchreligionen stellen den Menschen in den Mittelpunkt des Weltgeschehens. Diese anthropozentristische Sichtweise ist für Kritiker die Ursache der heutigen Ausbeute der Natur. Doch bei eingehender Untersuchung religiöser Vorgaben stößt man auf interessante Antworten und mögliche Lösungen. Der Islam unterscheidet zwischen den Geschöpfen, denen verschiedene Aufgaben und Fähigkeiten vom Schöpfer zugeteilt wurden. Dennoch sind sie Teil der Schöpfung und dadurch mit den anderen Geschöpfen eng verbunden. Um diese Naturnähe des Islams zu veranschaulichen, werden in der vorliegenden Arbeit ausgewählte Themengebiete näher untersucht. Ausgangspunkt dabei ist die Tatsache, dass im Islam dem Menschen eine besondere Aufgabe zugeteilt wird. Er darf die Güter der Erde für seine Bedürfnisse nützen und muss gleichzeitig darauf achten, keine Unruhe auf Erden zu stiften – lā tufsidū fī l-arḍ. Mit der vermeintlichen Macht und den außergewöhnlichen Fähigkeiten des Menschen, die ihn von den anderen Geschöpfen unterscheiden, geht auch eine große Verantwortung einher, denn der Muslim muss vor seinem Schöpfer Rechenschaft für seine Taten, auch im Umgang mit der Schöpfung, ablegen. Der Islam wird als eine anthropozentristische Religion bezeichnet. Er setzt den Menschen auf einen Platz, der nur ihm zusteht. Aufgrund seiner Beschaffenheit unterscheidet der Mensch sich von den anderen Lebewesen. Als eine Religion, die das Leben nach dem Tod und eine Begegnung mit dem Schöpfer erwarten lässt, spricht sie das Verantwortungsbewusstsein des Muslims an. Dass Anthropozentrismus mit einem verantwortungsvollen und achtsamen Umgang mit Natur vereinbar ist und sogar dafür vorausgesetzt ist, wird ausführlich diskutiert. 292 Die Arbeit ist gegliedert in allgemeine Kapitel, die Umwelt und Umweltethik untersuchen und anschließend das Spezialgebiet Religionen und Natur untersucht, wobei der Islam den Schwerpunkt der Arbeit dabei darstellt. Punkt I behandelt Naturverständnis und die Definition von Natur. Punkt II untersucht Umweltethik im Allgemeinen, Punkt III bearbeitet das Thema Religionen im Umweltdiskurs und Punkt IV das Hauptthema: Islam und Ökologie. Anhand der Bereiche Medizin im Islam, Natur im Koran und Hadith und Tiere im Islam wird die islamische Naturnähe veranschaulicht. Zahlreiche Koranstellen und Hadithe weisen auf das Wunder der Schöpfung hin und auf die Verantwortung, diese zu schützen. Wichtige umweltethische Bestimmungen in Form von Aufforderungen zu Sparsamkeit, Genügsamkeit und sorgfältiger Umgang mit den Ressourcen sind in den Grundlagen des Islams zu finden. Die Verbundenheit mit den anderen Geschöpfen in der Schöpfung äußert sich in vielen Bereichen. Der Mensch ist von der Natur und den anderen Geschöpfen abhängig, um sein Überleben zu sichern. Der Muslim braucht sie, um seinen Glauben zu praktizieren und stärken. In der Medizin des Propheten sind Heilmittel aus der Natur und eine Lebensweise, die dem Wesen, der Natur des Menschen, entsprechen, empfohlen. Besondere Barmherzigkeit und Verantwortung sind bei dem Umgang mit Tieren geboten. Die Realität sieht nicht ganz so aus, wie es die islamischen Grundlagen fordern. Besonders in Tierschutz besteht Aufklärungsbedarf. Dies ist auch unter Muslimen erkannt worden und es werden Fragen, beispielsweise ob Vegetarismus mit dem Islam vereinbar ist, aufgeworfen. Als halīfat Allāh hat der Mensch viel Macht übernommen und das Ausmaß der Verantwortung sowie die Auswirkungen seiner Handlungen unterschätzt. Durch Umweltkatastrophen, die - trotz technischen und wissenschaftlichen Höchststandes - den Menschen bedrohen, hat er erkannt, dass es Zeit ist, sein Verhalten zu ändern. Muslime stehen heute vor einer neuen Herausforderung in ihrer Religion. Massentierhaltung beispielsweise erschwert die Einhaltung der islamischen Schächtungs- und Tierschutzbestimmungen. Aus dieser Misere heraus entstand der Gedanke eines islamischen Vegetarismus. Ob dieser, in Bezug auf die aktuelle Situation der Muslime, im Sinne des Islams ist, muss von Gelehrten geprüft werden. 293 Der Islam hat eine Vielzahl von religiösen Bestimmungen, die eine islamische Umweltethik begründen können. Es liegt nun an Rechtsgelehrten und religiösen Autoritäten in politischer Verantwortung die Religion auf heutigen Kontext hin zu prüfen und entsprechende Fatwas zu entwickeln.Nature is being discovered today from a different perspective thanks to the current discussions on environmental issues. A growing awareness of the delicate balance of life on this planet, endangered by recent natural catastrophes, is ever more present in people´s consciousness. Man realizes his dependency on nature through the climate change. After being alienated from nature, we are now attempting to work in harmony with our environment. Religions play a considerable role in the discourse on our environment and its protection. World religions place man at the centre of life on this planet. Critics accuse this anthropocentric viewpoint of being the cause for today´s exploitation of nature´s resources. On closer examination of religious principles, however, interesting answers and possible solutions are to be found. Islamic teachings differentiate between the roles and abilities allotted by the creator to the different forms of life on this planet. Nevertheless they all are a part of the creation and therefore interconnected with one another. In order to illustrate this closeness to nature in Islam, a selected range of subjects will be examined in the following paper. The starting point is the fact that in Islam, mankind has been entrusted with a special role. We may use the goods on earth for our basic needs, and at the same time we must take care not to upset the balance of harmony on earth - lā tufsidū fī l-arḍ. With this alleged power and the special qualities which set man apart from other creatures, goes also a huge responsibility towards all of creation. For he has to give an account of his deeds, also in his dealing with creation, to the creator. Islam is called an anthropocentric religion, giving man a status which only he deserves. Man differs from other forms of life through his very design. 294 As a religion which incorporates the belief in life after death and accounting for ones deeds, Islam addresses every individual´s sense of responsibility. I will discuss in detail the fact that anthropocentrism by no means excludes a responsible and respectful approach to nature, on the contrary, it presupposes such behavior. This paper is divided into chapters dealing with environment and environmental ethics in general, followed by the more specialized field of the environment within the context of religions, whereby the focus is on Islam. Chapter I addresses our definition and understanding of nature, chapter II examines environmental ethics in general. Chapter III deals with the topic of religion in the context of environmental issues, and chapter IV treats the main topic: Islam and ecology. To illustrate the closeness or Islam to nature, innumerable references are made in the Koran and Hadith to the miracle of creation and our responsibility to protect it. See the topics such as Islamic Medicine, Nature in Koran and Hadith and Animals in Islam. Significant requirements in our dealings with ecology are among the basic principles of Islam, for example a call for frugality, simplicity of life style and careful use of resources. Our affinity to other forms of life finds expression in many fields of Islam. Man depends on nature and other creatures to ensure his own survival. The Muslim needs nature to practice and strengthen his faith. Natural healing remedies and a lifestyle suitable to human nature are recommended in the medicine of the prophet. Particularly compassion and the humane and responsible treatment of animals are required. Rarely do the facts of reality fulfill the demands of Islamic principles. Especially in the area of animal protection, much remains to be improved through education and information. Muslims are beginning to recognize this, and ever more questions are being posed, for example whether vegetarianism is acceptable within Islam. Mankind has assumed a great deal of power as halīfat Allāh, but he has underestimated the dimensions of his responsibility and the effects of his actions. Due to the ecological catastrophes that, in spite of all technological and scientific achievements threaten man, he realizes that it is now time to change his behavior. 295 Muslims are facing a new challenge in their religion. Animal factory farming, for example, is irreconcilable with the observance of Islamic slaughter and animal welfare. This gave rise to the idea of an Islamic vegetarianism. Whether this idea conforms with Islam or not, considering the current circumstances, still remains to be examined by Muslim scholars. Islam has innumerable religions principles that could form the basis of an Islamic environmental code of behavior. It is the responsibility of legal scholars and religious authorities of political status to examine the beliefs in their present day context and develop corresponding Fatwas.
Date
2010Type
HochschulschriftIdentifier
oai:othes.univie.ac.at:9356Kowanda-Yassin, Ursula (2010) Naturnähe und Naturverständnis in den Grundlagen des sunnitischen Islams. Dissertation, Universität Wien. Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät BetreuerIn: Lohlker, Rüdiger