Abstract
Schlüsselfragen der Kosmochemie sind: Wie wurde das Sonnensystem gebildet, was war sein Urzustand und seine ursprüngliche Zusammensetzung und welche Prozesse trugen dazu bei, den heutigen Zustand des Sonnensystems zu erzeugen. Das Sonnensystem wurde vor ca. 4.57×109 Jahren (4.57 Ga) in Folge des gravitativen Kollapses einer Molekülwolke im Weltall gebildet. Hierbei bildete das einfallende Material unter Drehimpulserhaltung eine die Sonne umschließende Scheibe, den Solaren Nebel, von dem der überwiegende Teil die Sonne selbst innerhalb von wenigen hunderttausend Jahren akkretierte. Während dieser Frühphase war die Sonne besonders aktiv. Hierbei sind vor allem bipolare Masseauswürfe an den Polen der Sonne, sowie massive Strahlungsausbrüche in Folge von gesteigerter Akkretion von Material auf die Sonne zu nennen. Im Laufe der Zeit nahm der Einfall von Material auf die Sonne immer mehr ab, um schließlich ganz zum Erliegen zu kommen. Der überwiegende Teil des verbliebenen Gases und Staubs wurde anschließend ebenfalls auf die Sonne akkretiert oder durch Strahlung weggeblasen. Ein kleiner Teil des verbliebenen Gases und Staubs konnte sich diesen Prozessen entziehen und ballte sich zu kleinen Körpern zusammen, die wiederum später Planeten bildeten. Die primitivsten, das heißt am wenigsten sekundär prozessierten dieser Körper, werden heute allgemein als Chondritmutterkörper bezeichnet. Chondrite, also Meteorite, die aus diesen Mutterkörpern stammen, können hierbei am besten mit Sedimentgestein vergleichen werden, da Chondrite im Wesentlichen eine mechanische Mischung von verschiedensten Komponenten des frühen Sonnensystems darstellen. Die Mutterkörper dieser Chondrite haben sich dabei im Wesentlichen als Folge der Akkretion dieser Komponenten gebildet. Diese geschah bereits sehr früh, vor ca. 4.5×109 Jahren, im Sonnensystem. Die primitivsten Chondrite stellen dabei die Bereiche ihrer Mutterkörper dar, die ungeschmolzen und nur schwach metamorph überprägt wurden. Daher haben die Komponenten dieser Meteoriten im Wesentlichen ihre ursprüngliche Isotopensignatur noch erhalten. Somit können Chondrite als Zeitkapseln bezeichnet werden, die frühe Prozess im Sonnensystem und manchmal sogar aus der Zeit davor erschließen. Eine sehr einfache Methode sich die isotopischen Fingerabdrücke der verschiedenen Komponenten der Chondrite anzusehen, ist dabei, sie sequentiell mit Säuren zunehmender Stärke zu lösen. Das Prinzip der Komponentseparation basiert dabei auf den unterschiedlichen Säurebeständigkeiten der einzelnen Komponenten in Chondriten. So konnte mit Hilfe dieses Verfahrens zum Beispiel dargelegt werden, dass einige sehr primitive Chondrite nicht nur solares Material sondern auch „präsolares“ Material enthalten. Dieses Material zeichnet sich im Wesentlichen durch Isotopensignaturen aus, die sich sehr stark von denen unterscheiden, die die übrigen Materialien des Sonnensystems zeigen. Präsolare Körner sind hierbei von besonderem Interesse, da sie die Isotopensignatur ihres Muttersterns um den sie kondensierten wie ein Fingerabdruck speichern. Somit erlauben sie die Untersuchung von Nukleosynthese und stellaren Prozessen im Labor. Generell gelten alle Elemente des Sonnensystems, deren Masse die von H and He überschreiten, als nicht von der Sonne gebildet, da die Sonne als kleiner Hauptsequenzstern lediglich H zu He fusioniert. Elemente deren Masse unterhalb der des Eisens liegt werden durch Kernverschmelzung gebildet, alle schwereren Elemente im Wesentlichen durch Neutroneneinfangsreaktionen durch bereits existierende Nuklide. Im Wesentlichen werden drei stellare Umgebungen unterschieden, an denen Elementsynthese durch Neutroneneinfangsprozesse abläuft: „asymptotic giant branch“ (AGB) Sterne, Kern-Kollaps Supernovae und die Kollision von Neutronensternen. In AGB Sternen ist die Neutroneneinfangrate dabei eher klein, sodass nur Nuklide gebildet werden, die dem sogenannten Tal der Stabilität in der Nuklidkarte folgen, das heißt, die Neutroneneinfangsrate ist gering im Vergleich zur Rate mit der instabile Nuklide zu stabileren zerfallen. Dieser Prozess wird auch als „slow neutron capture“ oder S-Prozess bezeichnet. Im Gegensatz dazu steht der R-Prozess für „rapid-neutron capture“. Dieser Prozess läuft im Wesentlichen bei höheren Neutronendichten ab während z.B. Kernkollaps Supernovae oder der Kollision von Neutronensternen. Hierbei sind die Neutronendichten so hoch, das auch instabile Nuklide Neutronen einfangen können bevor sie zerfallen. Weiterhin existieren sogenannte „P-Prozess“ Nuklide. Hierbei handelt es sich um Nuklide, die weder durch den S- noch durch den R-Prozess gebildet werden. Es wird angenommen, dass diese Nuklide infolge einer komplexen Kette von Protoneneinfangs- sowie Neutroneneinfangs und Photodisintegrationsreaktionen entstehen. Diese finden möglicherweise in denselben stellaren Umgebungen ab wie der R-Prozess. In dieser Arbeit werden nun die Spuren der zuvor beschriebenen verschiedenen stellarer Produktionszweige näher beleuchtet. Der Fokus in Kapitel II liegt im Wesentlichen darauf, beobachteten nukleosynthetischen Hf und W Isotopenvariation zwischen den einzelnen sequentiell aufgelösten Mineralfraktionen dem S- R- und/oder P-Prozess zuzuschreiben. Hierfür wurde ein drei schrittiges Protokoll zum sequentiellen Auflösen von acht Meteoriten entwickelt. Dieses Protokoll erlaubte es die beobachteten Hf und W Isotopensignaturen eindeutig der Variation von S-Prozess angereicherten Phasen zuzuordnen. Da jedoch nur drei sequentielle Schritte vorgenommen wurden, könnte es erstens ggf. sein, dass vorhandene R-und/oder P-Prozess Variationen der Detektion entgangen sind und zweitens, war es so schwierig die genauen Träger der jeweiligen S-Prozess Variationen näher zu bestimmen. Massenbilanzrechnungen weisen darauf hin, dass es sich bei der initialen S-Prozess W Trägerphase um mainstream Siliziumkarbid (SiC) handelt, während S-Prozess Hf von einer oder mehreren anderen Trägerphasen getragen werden muss. Hierbei handelt es sich am wahrscheinlichsten um Silikate oder Oxide. Zusätzlich zeigt der Vergleich der Magnituden der Hf und W Isotopenvariationen der verschiedenen Leachate und Residuen, dass der S-Prozess W Träger vor allem in Kainsaz und Allende selektiv zerstört worden sein muss. Diese selektive Zerstörung wurde sehr wahrscheinlich im solaren Nebel, auf dem Mutterkörper oder im solaren Nebel und auf dem Mutterkörper in Folge von wahrscheinlich Oxidationsprozessen implementiert. Der Fokus in Kapitel III liegt darauf in Kapitel II potentiell maskierte R- oder P-Prozess Anomalien aufzulösen und die Trägerphasen der verschiedenen nukleosynthetischen Prozesse besser zu bestimmen. Um dies zu erreichen wurde ein fünf schrittiges sequentielles Auflösungsverfahren entwickelt und an Murchison, Kainsaz und Allende angewendet. Diese drei Meteorite zeigten in Kapitel II dabei die größten Hf und W Isotopenvariationen und wurden daher als Proben ausgewählt. Zusätzlich wurden noch die Hf, W, Mg, Al, Ca, Ti, Cr, Fe, Co, Ni, und Zr Konzentrationen in den einzelnen Leachschritten gemessen um weitere Informationen über die einzelnen Phasen zu gewinnen, die in den verschiedenen Leachschritten gelöst werden. Die Resultate zeigen, dass obwohl mehr Leachschritte unternommen wurden, keine R- oder P-Prozess Variationen aufgedeckt werden konnten. Die Isotopenvariationen die aufgedeckt wurden, konnten allein dem S-Prozess zugeordnet werden. Mit Hilfe der Elementkonzentrationsmessungen konnte zudem aufgedeckt werden, dass es sich bei den S-Prozess Hf Trägern am wahrscheinlichsten um Oxide handelt. Dagegen zeigen Massenbilanzen ähnlich wie in Kapitel II, dass die primäre S-Prozess W Phase mainstream SiC ist. Ähnlich zu den Beobachtungen aus Kapitel II, zeigt der Vergleich der Hf und W Isotopenvariationen zwischen den Leachaten und den Residuen von Murchison, Kainsaz und Allende, dass SiC in CV und CO selektiv zerstört worden ist. Beides, sowohl die Homogenisierung als auch die selektive Zerstörung des SiC geschah sehr wahrscheinlich im solaren Nebel bevor die einzelnen Mutterkörper sich bildeten oder auf dem Mutterkörper selbst, wahrscheinlich in Kombination mit Oxidationsprozessen. Der Fokus in Kapitel IV liegt auf dem Zr Isotopenmessungen der Leachate und Residuen der Proben aus Kapitel III. Genau wie die Isotope von Hf und W werden auch die Isotope von Zr in Folge von Neutroneneinfangsreaktionen (S- und R-Prozess) gebildet. Interessanterweise und im Gegensatz zu Hf und W, konnten für Zr Isotope ebenfalls Gesamtgesteinsvariationen festgestellt werden. Diese Beobachtungen suggerieren, dass nicht alles Zr, Hf und W von denselben Trägern getragen werden kann und somit muss zumindest ein kleiner Teil der Zr Isotopensynthese in anderen stellaren Umgebungen geschehen sein, als die des Hf oder W. Um diese Entkopplung näher zu beleuchten, wurden dieselben Leachate und Residuen untersucht, welche bereits in Kapitel III auf ihre Hf und W Isotopensignaturen untersucht wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass ebenfalls signifikante Zr Isotopenvariationen zwischen den einzelnen Leachaten und Residuen von Murchison, Kainsaz und Allende existieren. Diese Variationen korrelieren vor allem mit Hf Isotopenvariationen, aber korrelieren nicht mit denselben astrophysikalischen Modellen, die für die Synthese der Hf und W Isotope genutzt wurden. Neuere astrophysikalische Modelle für die Zr Isotopensysnthese, die stärkere Gewichtung auf die initialen Massen der verschiedenen AGB Sterne legen, zeigen dagegen, dass die beobachteten Zr Isotopenvariationen sehr gut mit der Variation einer Phase übereinstimmen, welche um einen niedrig massigen AGB Stern kondensiert ist. Diese Resultate stimmen gleichzeitig sehr gut mit den Beobachtungen für Hf und W Isotopenvariationen in den Leachaten und Residuen überein und identifizieren somit niedrig massige AGB Sterne eindeutig als eine Quelle, die Material zur Bildung des Sonnensystems beigetragen hat. Der Unterschied, dass für Zr Gesamtgesteinsvariationen zu beobachten sind und für Hf und W dagegen nicht, liegt wahrscheinlich an der heterogenen Verteilung eines „nicht S-Prozess Zr“ Trägers im solaren Nebel welcher keine signifikanten Mengen an Hf und W trägt. Zumindest ein Teil dieses „nicht S-Prozess“ Zr wird dabei wahrscheinlich von CAIs getragen, welche die ältesten Objekte im Sonnensystem sind. Date
2016-11-28Type
ThesisIdentifier
oai:USBKOELN.ub.uni-koeln.de:7967http://kups.ub.uni-koeln.de/7967/1/Dissertation_final_einreichen_richtig.pdf
Elfers, Bo-Magnus (2016) Hf, W and Zr nucelosynthetic inventory of chondrites. PhD thesis, Universität zu Köln.