Wenn gute Intentionen nach hinten losgehen: universitäre Ethikkommissionen und Forschung zu dem Intimleben von Personen, die als geistig beeinträchtigt gelabelt werden
Keywords
Beeinträchtigung; Disability Studies; qualitative Forschung; Ethik; Ethikbegutachtung; Forschungsregulierung; Vulnerabilitätsociology; disability studies; social work; sexualities studies
intellectual disability; disablism; qualitative research; ethics; ethics review; research regulation; vulnerability; intersectionality; student research
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Wir diskutieren kritisch, wie Praxen der ethischen Begutachtung und Regulierung durch universitäre Ethikkommissionen Diskurse von Vulnerabilität und Protektionismus reproduzieren, die dazu beitragen, Personen, die als geistig beeinträchtigt gelabelt werden, verstummen zu lassen. Behindernde Zuschreibungen über (Un-) Fähigkeit sowie ein reduktives bio-medizinisches Verständnis der gelabelten Personen als homogene Gruppe führen zu der Einschätzung, die Forschungen seien "zu riskant" und ihr Wert würde die potenziellen Risiken nicht aufwiegen. Personen werden als "zu verletztlich" oder "zu naiv" wahrgenommen, um in der Lage zu sein, über ihre Teilnahme an Forschung entscheiden zu können, ohne sich selbst oder die Forschenden in Gefahr zu bringen. In diesem Beitrag legen wir unsere Erfahrungen mit forschungsethischen Begutachtungen von Projekten dar, in denen das intime Leben von Menschen mit geistiger Behinderung erforscht werden sollte. Wir kommen zu dem Schluss, dass die forschungsethische Regulierung, obwohl sie gut gemeint ist (weil sie Teilnehmende und Forschende schützen möchte), gegenteilige Auswirkungen haben kann. Sie schränkt die Möglichkeiten ein, die Perspektiven und Handlungsspielräume von Personen mit geistigen Beeinträchtigungen in der Forschung zu priorisieren und begrenzt zudem, wie Forschende mit diesen Personen in der Forschung umgehen dürfen.We critically discuss how practices of ethical governance through university research ethics committees can contribute to the silencing of people labeled with intellectual disabilities through the reproduction of discourses of vulnerability and protectionism. In addition, disabling assumptions of (in)ability and reductive bio-medical understandings of labeled people as a homogeneous group can create concern that such research is "too risky," and perhaps not valuable enough to outweigh potential risks. Combined, these practices deem people "too vulnerable" or "too naïve," and thus, unable to make decisions for themselves about participating in research without putting themselves and the researcher(s) at risk. In this article, we draw on insights gained from our experiences undergoing ethics review for projects focused on the personal and intimate lives of people with intellectual disabilities. We proffer that such ethical governance, though well-intentioned (i.e., to protect participants and researchers), limits not only possibilities for research that would otherwise prioritize the perspectives and agency of people with intellectual disabilities but also how researchers are "allowed" to engage with them in research.
Date
2018-09-26Type
info:eu-repo/semantics/articleIdentifier
oai:www.qualitative-research.net:article/3090http://www.qualitative-research.net/index.php/fqs/article/view/3090
10.17169/fqs-19.3.3090